Unsere Traktoren – die Geschichte

Eine Geschichte von Walter Spies, Nürnberg

Es ist kurz nach dem 2. Weltkrieg und Georg ist endlich aus der Gefangenschaft heim-gekehrt. 1949, am 27. Oktober, heiraten Georg und Erika.

Sie hatten noch nicht einmal ein eigenes Zimmer und so wurde im Dachspeicher ein Schlafzimmer eingerichtet. Vis-à-vis entstand ein Zimmer für die Kinder, direkt zwischen der kleinen Vorratskammer und dem schrägen Reil für das bessere „Feiertags“-Pferde-geschirr. Der Flur war das Wohnzimmer der jungen Familie. Eine Heizung gab es nicht und die Winter waren noch bitterkalt, so dass oft die einfachen Fenster mit Eisblumen dick bedeckt waren.

1950: Walter wird geboren
1951: Gerhard wird geboren

Wir hatten damals 2 Pferde, 5 Kühe und manchmal Kälbchen und einen Ochsen, dazu vier Schweine, Hasen, Hühner, Enten, Gänse, Hund und Katze, sowie Schwalben, und manch-mal als vorübergehende „Pensionsgäste“ Feldhamster oder Bussard.

Wir wohnten im einem alten Bauernhaus im Ortskern. Heute würde man sagen, in beengten Verhältnissen. Aber wir haben es damals nicht so empfunden. Alles war auf einem räumlich eng begrenzten Gelände untergebracht und auch die vielen Tagelöhner verbrachten meist ihre Abende mit uns in der Küche bei einem oder mehreren Gläsern Wein. Wir hatten ja noch keinen Fernseher und so hat man sich abends gemütlich unterhalten.

Der Vater Georg ging um 20 Uhr manchmal ins nahegelegene Wirtshaus um dort am einzigen (schwarz/weiß)-Fernseher im Ort die Wetterkarte zu sehen. Er war schon etwas moderner eingestellt und wollte sich nicht ganz alleine auf die Bauernweisheiten verlassen, was das Wetter und die richtige Einsatzplanung für die anstehenden landwirtschaftlichen Arbeiten angeht.

Schon als Buben mussten wir bei der Feld- und Hausarbeit kräftig mithelfen. Hausarbeit, dazu gehörte Hof und Straße kehren, Vieh füttern, Futter hacken, Unmengen von Wasser aus dem Brunnen pumpen, beim Schlachten und Einmachen helfen, Feuerholz und Feuer machen zum wöchentlichen Bad oder zum Waschtag. Ja, wir hatten schon bald ein richtiges Bad, also Badewanne und Waschbecken, im früheren Kämmerlein der Magd direkt hinter der Küche. Das war der erste bescheidene Wohlstand.

Der erste Bulldog

Der Großvater Konrad Günther kaufte am 09.06.1950 einen gebrauchten Bulldog mit folgenden Daten:

Lanz D 3506, 20 PS, Bj. 1936, Seriennummer 110774, mit Führerhaus komplett, mit Windschutzscheibe, mit Zapfwelle, mit gefederter Vorderachse und mit Gummi-Bereifung. Er hatte in der damaligen französischen Besatzungszone das Kennzeichen FR 37-7318 und kostete DM 5.000,-. Als Normverbrauch ist in der „DECLARATION DE VEHICULE AUTOMOBILE“ 40kg/100km vermerkt. Ja, damals maß man Dieselöl noch in Kilogramm, wie es die Diesel-Kraftstoffmarken beweisen. Wiegen war man halt gewohnt, genaue Durchflußmesser waren noch selten.

Der Kauf dieses Bulldogs war nicht leicht, Bargeld war praktisch keines vorhanden, man war ja weitgehend Selbstversorger und das Vermögen steckte im Betrieb. So wurde ein Teil der Ernte und ein Erbrecht an einem kleinen Haus abgetreten. Erst gegen Ende des Jahres 1950 waren alle Zahlungsstreitereien beendet und der Bulldog endlich bezahlt.

Der Vater Georg hat den Lanz gut gepflegt und Sohn Walter war immer am Traktor mit dabei. 1957 konnte der Opa Konrad die schwere Arbeit am Rübenpflug nicht mehr machen. Das war die Gelegenheit für Walter. Endlich durfte er den Bulldog auf dem Acker fahren, denn am Rübenpflug hing nun der Vater Georg. Der 7-jährige Walter war recht kräftig für sein Alter, aber er konnte die schwergängige Kupplung nicht mit einem Fuß treten. So hielt er sich mit der linken Hand am Kotflügel und mit der rechten am Lenkrad fest und sprang mit beiden Füßen auf die Kupplung. Das langsame Loslassen ging dann wieder mit einem Fuß.

In dieser Zeit fuhr Walter einmal den Bulldog auf dem nahe liegenden Feldweg zurück, aber da kam schon ein Bauer herbei gerannt mit dem man verfeindet war und tobte. Der Vater Georg kam dazu und die beiden stritten fürchterlich. Das Ergebnis: Walter hatte mit 7 Jahren seine erste Strafanzeige.

Der neue Bulldog

Am 19.11.1957 wurde der alte Lanz D 3506 für DM 2.500,- zurückgegeben und im Gegenzug ein neuer Lanz für DM 10.258,- gekauft.

Daten: 28 PS Lanz Bulldog D 2816, Seriennummer 333 201, Bj. 1957, Volldiesel mit elektrischem Anlasser und Anwerfvorrichtung für Handstart, hydraulischer Kraftheber mit Dreipunktaufhängung. Es war einer der letzten blauen Lanz-Bulldogs, schon im gleichen Jahr erhielten die Traktoren aus Mannheim die grüne John-Deere Farbe.

Diesen neuen, hellblauen Bulldog wollte der 7-jährige Walter anfangs nicht fahren und sein Vater brauchte einige Überredungskunst bis er es dann schließlich doch tat. Es war wieder beim Rübenausackern und bereits am Abend wollte der Sohn nicht mehr vom neuen Lanz herunter gehen.

Bereits ein Jahr später kam der fabrikneue, gezogene Mähdrescher CLAAS-Super Junior für DM 9.393,- hinzu. Er wurde in einer Erntegemeinschaft mit Georg Fuhry finanziert und betrieben. In dieser Zeit wurden auch noch andere teure Geräte angeschafft.

1957: Traubenlese in Worms

Der moderne Traktor

Der Fortschritt in der landwirtschaftlichen Technik ging seit Mitte der 50er Jahre rasant voran und bereits Anfang der 60er Jahre standen moderne mehrzylindrige Schlepper zur Verfügung. Mit einem Paukenschlag stellte Güldner bereits 1959 auf der DLG-Ausstellung in Frankfurt/M. seine Europa-Reihe vor, aus der ab 1962 die roten Schlepper der G-Reihe geliefert wurden.

Mit spektakulären Feldvorführungen machte man die Bauern auf die neuen Schlepper aufmerksam. Da konnte auch der fortschrittliche Vater Georg, der nun den landwirt-schaftlichen Betrieb führte, nicht lange widerstehen und kaufte 1964 einen neuen Güldner G 40 S.
Daten: 38 PS, 2.360 ccm Hubraum, 8 Vor- und 4 Rückwärtsgänge, Zapfwelle 540/1080, Lenkradschaltung, Fußheizung. Das S steht für Schnellgang und deswegen mußte er anfangs jedes Jahr zum TÜV. Offiziell ist er mit 29,8 km/h bei n=2300 angegeben, läuft aber bei voller Drehzahl echte 32 km/h.

Dieser Traktor ist bis heute im Familienbesitz. Im September 2011 hat ihn Walter die 300 km nach Nürnberg gefahren, wo er heute im Alter von 50 Jahren nur noch für Oldtimer-Ausfahrten und kleinere Einkäufe genutzt wird. So kommen vom Frühjahr bis Herbst ca.
1.300 km zusammen.

Bei Veranstaltungen ist er regelmäßig begehrtes Fotoobjekt und oft in Zeitungen und im Fernsehen zu sehen. Die Krönung war die Mitwirkung in der Traktor-Szene im Kinofilm „Murggs“, der bis Anfang 2014 in den Kinos lief. Im Wandkalender „Jungbauernträume 2015“ wird er auch zu sehen sein und die Firma NPE-Modellbau hat ihn als Basis genommen für ein 2015 als Neuheit erscheinendes H0-Modell eines Güldner G 40 S.

damals:

1964 bei der Traubenlese
Walter mit 14

und heute:

2014 auf Oldtimer-Fahrt
Walter mit 64